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von Eva Schickler M.A., Nürnberg

Mareike Drobnys Arbeiten
sind von einer wunderbar unspektakulären, stillen und nachhaltigen Präsenz, die von der konsequenten Haltung rührt, alles aus der Energie von Ort und Zeit zu entwickeln. Die Künstlerin selbst spricht dabei von Zentrierung, Konzentration und Auflösung, Bewegung und Begegnung, Prozess und Dynamik - und von dem was bleibt, wenn die Welt auf einen einstrˆmt und man danach wieder auf sich selbst zurückge- worfen ist.

Im Dezember 2009 hat Mareike Drobny das Studium der Bildhauerei als Meisterschülerin an der Alanus Hochschule in Alfter/Bonn sowie an der Hiroshima City University abgeschlossen. Die aus Erlangen stammende Künstlerin hat Projekte sowie temporäre Aktionen in verschiedenen Ländern wie Japan, Ungarn, Afrika und Guatemala realisiert. Auch wenn Zeichnung und Zeichen Ausgangspunkt und Grundstruktur ihrer künstlerischen Arbeiten bilden, so hat die räumliche Vorstellungskraft einen entsprechend wichtigen Anteil am Ideenprozess. Dabei erweist sich Mareike Drobnys Zugang zur Kunst als lebendig, äusserst vielschichtig, spannungsreich, konzeptuell, kommunikativ, partizipatorisch, global, experimentell, interdisziplinär, interaktiv und vor allem: ortsbezogen, installativ und verräumlicht. Die Linie hat sich in ihren beachtenswerten Werken längst die zweite und dritte Dimension erobert, sich in die Fläche und auch in den Raum hinein ausgedehnt - ja sie erreicht bis- weilen sogar kartographische Ausmasse. Das verdeutlicht umso mehr, über welches Potenzial und welche Energie junge Künstler auch heute im 21. Jahrhundert verfügen.

Spätestens seit Gerry Schums legendärer Videogalerie und der damit verbundenen Neudefinition von Kunst als Land Art Ende der 1960er Jahre gilt, dass das Fahren oder Gehen durch eine Landschaft als Kunst definiert werden kann. Eine ganze Reihe von Künstlern wie Richard Long, Jan Dibbets, Joseph Beuys und Denis Oppenheim strebten danach, die Kunstaura der Museen und Galerien zu verlassen, den Horizont zu erweitern und Kunst verstärkt in den gesellschaftlichen Kontext einzubinden. Den Möglichkeiten sind heute keine Grenzen mehr gesetzt. Der Mensch selbst, seine eigene Wahrnehmung und seine Vorstellungskraft bilden laut Robert Ryman gewissermassen die einzige Begrenzung, die es gilt zu überwinden.

Begegnen uns Mareike Drobnys Arbeiten wie Spacedrawing (2007) und Paradiessucher (2007) in eher klassischen, kunstaffinen Räumen, zeigt sich auch hier ihre Vorliebe für die Linie als ein Ausdruck von Bewegung, der gleichzeitig Konzentration und souveräne Leichtigkeit inne wohnt. In einem Bambuswald in Hiroshima verdichtete sie unzählige Bambusrohre zu einem begehbaren Pfad, zu einem Wegzeichen. Unter dem Titel yakusoku (2008) realisierte sie aus demselben Material ferner eine Art von benutzbarer Treppe von beachtlichen Ausmassen. Anliegen war ein konzentriertes Werk für einen heiligen Ort zu schaffen, um dem Besucher einen besonderen wie leichteren Zugang zu dem höher gelegenen Tempel zu ermˆglichen. Dieser ist einer japanischen Gottheit gewidmet. Beide Arbeiten erzeugen - abgesehen von ihrer poetischen Wirkung - eine komplexe Raumerfahrung. Alle Sinne und unterschiedliche Gedächtnissysteme werden gewissermassen gleichzeitig aktiviert. Künstlerische Setzungen von Mareike Drobny können somit besondere Orte des Wahrnehmens, Erlebens und Begreifens sein.

Oft ist dies, dem jeweiligen Ort entsprechend, nur von temporärer Dauer, aber stets von intensiver, ja stiller, magischer Präsenz wie in one moment (Senegal/Westafrika, 2010) oder in front of / belight (Robben Island/Südafrika, 2011), dokumentiert in Form von Video und Stills. Auch auf die GPS-Zeichnungen der Künstlerin trifft dies zu. GPS steht für die Abkürzung von Global Positioning System, dabei handelt es sich um ein globales Navigationssatellitensystem, das zur Positionsbestimmung und Zeitmessung verwendet wird. Mit dieser innovativen Technologie zeichnet Mareike Drobny immer wieder Bewegungsabläufe ihrer eigenen Person in einem bestimmten Zeitraum und an einem bestimmten Ort auf. In Brühl bewegte sich die Künstlerin beispielsweise durch die Stadt, zeichnete alltägliche Unternehmungen auf. Jeden Tag entstand so eine GPS-Zeichnung der zurückgelegten Strecke. Längere Zeiträume wurden bei Arbeitsaufenthalten in Budapest und Hiroshima gespeichert. Je kürzer der aufgezeichnete Zeitraum, desto fragiler wirkt das visuelle Ergebnis: der Ausdruck der vom Computer erzeugten Linien. Besonders in diesen Graphiken spiegelt sich die Zeit als Spur von Anwesenheit wie die allgegenwärtige Verortung des Individuums in der globalen Welt.

So stellt sich Kunst bei Mareike Drobny als eine Möglichkeit dar, den Moment zu kristallisieren, zu vergegen- wärtigen. Sie ist nicht auf bestimmte Medien und Materialien fixiert. Wie ein Resonanzkörper speichert und transformiert sie die besondere Ausstrahlung und Energie des jeweiligen Ortes. Das macht ihre Arbeiten überaus spannend. Und man spürt sofort, dass es ihr immer um Grundsätzliches geht, um elementare, existentielle Fragestellungen, die auch philosophische Dimensionen berühren.

Eva Schickler M.A., Nürnberg